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JUNGE ERWACHSENE UND ALE JUGENDLICHE JAVA Schritt für Schritt in die Autonomie Für junge Menschen auf ihrem Weg, der selten frei von Tücken ist, kann sich der Übergang ins Erwachsenenleben als kompliziert erweisen. Neue Verantwortlichkeiten und Autonomie werfen viele neue Probleme und Fragen auf ... Die Initiative JAVA wurde in dem Bestreben ins Leben gerufen, Menschen in dieser Phase Lösungswege anzubieten. Triff dich in Huy mit Soazic, 21, die über ihren Werdegang und ihre Fortschritte mit JAVA berichtet. Das Akronym JAVA (Junge Erwachsene und alte Jugendli- che) bezieht sich auf Jugendliche, die sich an der Grenze von Jugendhilfe und Erwachsenenangeboten befinden und auf ihrem Weg auf zahlreiche neue Hindernisse sto- ßen. Angesichts dieser Erkenntnis haben Cera und das Centre de Référence en Santé Mentale (Referenzzentrum für psychische Gesundheit, CRéSaM) einen Aufruf zur Einreichung von Projekten gestartet, um für diese Zeit der großen Veränderungen Unterstüt- zung zu bieten und Jugendliche auf ihrem Schritt in die Selbstän- digkeit zu begleiten. Unter den fünf inspirierenden Initiativen, die ausgewählt wurden, findet sich das Projekt „Apprentis Majeurs“ für in Ausbildung befindliche Volljährige, das von der AMO Mille- Lieux-de-Vie (Betreuungsstelle im offenen Umfeld) in Huy initiiert wurde. Soazic, eine junge Mutter, nimmt an dem Peer-to-Peer- Programm teil. Wir geben ihre Worte wieder ... Gewalt von Kindsbeinen an Seit ihrer Kindheit muss sich Soazic in einem kom- plexen Erziehungsumfeld zurechtfinden. Sie wächst ohne die Stabilität eines Halt gebenden Zuhauses auf. „Meine Eltern leben seit meiner frühen Kindheit getrennt. Bei meinem Vater war ich das Aschen- puttel der Familie. Mit meiner Mutter war es auch kompliziert. Um mich herum war viel Gewalt, auf der einen wie auf der anderen Seite.“ Was die Schule angeht, so passt sie nicht das normale schulische Um- feld, da sie unter Aufmerksamkeits- störungen leidet. Im Unterricht wer- den ihre Bedürfnisse weder erhört noch respektiert. „Ich war in vielen verschiedenen Einrichtungen, mein Weg war ein wenig chaotisch.“ Allein mit vielen Schwierigkeiten Die Jahre vergehen; zuhause beruhigt sich das Leben nicht, im Gegenteil. „Bei jedem Streit drohte meine Mutter, mich vor die Tür zu setzen. Eines Tages – ich nahm sie beim Wort – bin ich zu mei- nem Vater gezogen. Dort war es meine Stiefmutter, die mich raus- geschmissen hat ...“ Nach diesem Bruch mit ihren Eltern flüchtet Soazic zu ihrer Großmutter. Während dieser Zeit trifft sie in der Schule auf den künftigen Vater ihres Kindes. „Ich war 20, als ich schwanger wurde. Meine Oma sagte mir, wenn ich mich entschei- den würde, das Baby zu behalten, sollte ich ihr Haus verlassen ... Ich wollte dieses Kind aber behalten, eine Abtreibung kam für mich nicht in Frage.“ Wieder einmal ist sie ohne Dach über dem Kopf. Auf der Suche nach einer Unterkunft ohne Einkommen wen- det sie sich an das Sozialhilfezentrum ÖSHZ. „Erst dadurch konnte ich eine kleine Wohnung im Zentrum von Huy finden. Dort lebe ich jetzt seit anderthalb Jahren.“ Gemeinsam Lebensgrundlagen schaffen Ein neues Kapitel beginnt. Von einem Tag auf den anderen findet sich Soazic als alleinerziehende Mutter eines kleinen Mädchens wieder. Bei ONE (Geburts- und Kinderhilfsdienst) und Natis (pe- rinatale Betreuungsstelle) findet sie Unterstützung. Dank dieser Strukturen und ihres neuen Lebenspartners gelingt es ihr, sich ein Nest zu bauen. Trotzdem häufen sich die Probleme ... „Ich muss- te auf einmal selbständig agieren, habe das aber nicht gelernt, es wurde mir praktisch aufgezwungen ... So gibt es zum Beispiel administrative Aufgaben, mit denen ich nicht vertraut war und die ich bis heute nicht beherrsche. Auch die Verwaltung des Haushaltsgelds ist kompliziert ...“ Dank der AMO Mille-Lieux-de-Vie und des JAVA-Projekts „Apprentis Majeurs“ erhält Soazic zur Überwin- dung dieser Schwierigkeiten und Hürden beim Übergang zum „Erwachsenenleben“ Unter- stützung. „Wir sehen uns einmal im Monat, was mir erlaubt, mal aus der Wohnung zu kommen; das tut gut. Dabei tref- fe ich auf andere junge Leute. Wir sprechen ein wenig über unser Privatleben, ohne jedoch zu sehr auf die Probleme einzugehen. Das Ziel ist es, gemeinsam voranzu- kommen. Das letzte Mal haben wir an einem Kochworkshop teilgenom- men, beim nächsten Treffen werden wir über das ÖSHZ und unsere Rechte sprechen." Ziel der „Apprentis Majeurs“ ist es, ganz konkrete Lösungen für die Probleme junger Erwachsener zu erarbeiten. In einer zweiten Phase werden sie Videos produzieren, um ihre Erfolge beim Mana- gen ihrer Autonomie zu teilen. Was ihre Zukunft angeht, so bleibt Soazic hoffnungsvoll, auch wenn es immer noch etwas schwierig ist, mehr Klarheit zu bekommen. „Ich suche einen Job mit festen Arbeitszeiten. Ich möchte für die Kleine da sein, ihr Sicherheit ge- ben und der Gewalt ein Ende setzen. Wenn die JAVA-Initiative mir helfen kann, in stabilen Verhältnissen zu leben, ist das ein Erfolg! “, erklärt sie zum Abschluss.  10 ENGAGE 


































































































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